Kindergarten Verfassung
Präambel
Vom Februar bis April 2015 haben wir, das pädagogische Team, eine Elterndelegation sowie eine Sprecherin für die Kinder, uns in Verfassungsgebenden Versammlungen zusammengefunden und uns auf die zukünftig im Kindergarten PampelMuse geltenden Beteiligungsrechte der Kinder und Eltern verständigt.
Als Ergebnis dieses Engagements ist die vorliegende Kindergartenverfassung in ihrer ersten
Fassung entstanden.
Anerkennung der Beteiligung als Grundrecht
Wir erkennen die Beteiligung der Kinder und Eltern als Grundrecht an. Die pädagogische Arbeit wird an diesem Grundrecht ausgerichtet.
Begründung
Die Beteiligung der Kinder ist eine notwendige Voraussetzung für das Gelingen von Bildungsprozessen. Sie schafft die Voraussetzung dafür, dass Kinder ihr künftiges Handeln und Denken an den demokratischen Grundprinzipien ausrichten können.
Wir Erwachsenen haben die Verantwortung, dass die Kinder die Gesellschaft, in der sie leben,
verstehen und dass sie befähigt werden, diese zu gestalten.
Die Orientierung an den Rechten der Kinder und Eltern verstehen wir als ein wichtiges Qualitätsmerkmal. Nur in der Aushandlung unterschiedlicher Interessen und Bedürfnisse kann Qualität entstehen.
Haltung und Dialog als Voraussetzung für gelingende Beteiligung
Wir verstehen uns als gleichwertige und gleichberechtigte Partner und die PampelMuse als
Lebensraum, der von einer achtsamen, einfühlsamen, wertschätzenden, respektvollen, offenen und vertrauensvollen Kultur des Miteinanders geprägt ist.
Die Pädagoginnen, Pädagogen und Eltern tragen Verantwortung, die Beziehungen zu den Kindern und untereinander in diesem Sinn zu gestalten. Die demokratischen Grundprinzipien Gleichwertigkeit und Gerechtigkeit müssen sich auch in diesen Beziehungen widerspiegeln.
Wir akzeptieren, dass Menschen Situationen verschieden interpretieren und unterschiedliche
Auffassungen und Erfahrungen haben. Wir sind offen zueinander. Das heißt, wir erkennen
Verschiedenheit an und gehen bewusst mit ihr um.
Wir sehen in der Vielfalt eine gegenseitige Bereicherung. Bei aller Verschiedenheit gehen wir
immer davon aus, dass Eltern, Pädagoginnen und Pädagogen das Wohl und die Entwicklung der Kinder im Blick haben. Wir fragen, wenn wir etwas nicht verstehen oder wissen und begegnen uns im Gespräch vorurteilsfrei.
Nur auf einer alltagsdemokratischen Basis kann die Umsetzung der Kinderrechte gelingen und dazu beitragen, dass Kinder ein weltoffenes, selbstbestimmtes und verantwortungsvolles Leben führen können.
Freiheit von Kindern
Damit Kinder in der Entwicklung ihrer Selbständigkeit nicht eingeschränkt werden, muss ihnen das Recht auf Freiheit zugestanden werden.
Unter Freiheit verstehen wir Möglichkeiten der Kinder, im Kindergartenalltag eigenständig und selbstbestimmt agieren zu können.
Wir Erwachsene unterstützen die Kinder dabei, mit dieser Autonomie verantwortlich umzugehen. Damit ist die Verantwortung sich selbst gegenüber, gegenüber anderen und gegenüber ihrer Umgebung gemeint. Hier findet diese Autonomie ihre Grenze. Dadurch wächst aber gleichzeitig die zwischenmenschliche Verbundenheit und das Gefühl, Teil einer Gruppe zu sein.
Die Anerkennung der Freiheit und des Rechts auf Beteiligung entbindet die Pädagoginnen und Pädagogen nicht von der Verantwortung, das Wohl und die Entwicklung der ihnen anvertrauten Kinder zu sichern. Die Umsetzung der Kinderrechte kann nur mit Hilfe von Pädagoginnen und Pädagogen gelingen, denn Kinder sind auf deren Zuwendung, Begleitung, Unterstützung und Schutz angewiesen.
1. Strukturelle Verankerung der Rechte von Kindern und Eltern
1.1 Wie Kinder ihre Rechte durchsetzen können
In der Gruppe
Der Morgenkreis findet mehrmals in der Woche statt. Er wird von den Pädagoginnen und
Pädagogen geleitet und moderiert. Es kann über alles gesprochen werden, was die Kinder beschäftigt.
Im Kindergarten
Die Kinder jeder Gruppe können zwei von ihnen in den Kinderrat wählen. Kinder, die in den Kinderrat möchten, können sich bei Ihrer Pädagogin melden. Die Kinder, die gewählt werden,
sprechen im Kinderrat für ihre Gruppe. Der Kinderrat trifft sich alle zwei Monate oder bei dringenden Angelegenheiten. Das Treffen des Kinderrates betreut die Leiterin. Es wird aufgeschrieben, über was gesprochen oder abgestimmt wird. Zu den Treffen können sich die Kinder darüber unterhalten, welche Vorschläge, Wünsche oder Probleme in ihren jeweiligen Gruppen zusammengetragen wurden und wie man Feste und Vorhaben gestaltet. Gibt es unterschiedliche Meinungen, wird nach einer Lösung gesucht, mit der alle Kinder einverstanden sind. Muss abgestimmt werden, gilt die Lösung, für die die meisten Kinder stimmen.
Wenn die Kinder im Kinderrat möchten, dass über Lösungen für Probleme oder über die Umsetzung von Ideen von mehreren Kindern und Erwachsenen nachgedacht werden soll, können sie dafür eine Nachdenk-Gruppe gründen. Jeder, der möchte, kann in der Nachdenk-Gruppe mitmachen, Kinder und Erwachsene. Die Nachdenk-Gruppe teilt dem Kinderrat die Ergebnisse mit, die aufgeschrieben und im Haus an die Wand gehängt werden. Muss in den einzelnen Gruppen abgestimmt werden, müssen die Unterschiede zwischen den Vorschlägen für jedes Kind deutlich zu erkennen sein. Die Anzahl von drei Vorschlägen sollte nicht überschritten werden. Können sich nicht alle Kinder einigen, gilt der Vorschlag, für den die meisten Kinder stimmen.
2. Beteiligungsmöglichkeiten für Eltern
2.1 Elternrat
Die Eltern einer Gruppe wählen jährlich zu Beginn des Kindergartenjahres aus ihrer Mitte
mindestens ein Mitglied für den Elternrat. Scheidet ein Mitglied aus, erfolgt in dieser
Gruppe eine Nachwahl. Die gewählten Mitglieder bestimmen eine(n) Vorsitzende(n). Die
gewählten Mitglieder sind allen Eltern bekanntzugeben.
Elternratssitzungen werden von den Mitgliedern oder von der Leiterin einberufen. Die Leiterin oder andere Pädagoginnen und Pädagogen nehmen nach Bedarf teil. Die Treffen werden protokolliert und im Eingangsbereich sowie auf der Internetseite des Fördervereins und Elternrates für alle Eltern veröffentlicht.
Der Elternrat hat die Aufgabe, die Zusammenarbeit zwischen den Eltern, dem Träger des Kindergartens, der Leiterin und den Pädagoginnen/Pädagogen zu fördern und zu unterstützen und
versteht sich als Ansprechpartner für alle Beteiligten.
Der Elternrat ist von der Leiterin sowie den Pädagoginnen und Pädagogen gemäß der unter Punkt 3.2. beschriebenen Rechte zu beteiligen.
In welcher Form der Elternrat die Eltern an seinen Entscheidungen beteiligt, liegt in seiner eigenen Verantwortung. Er schafft sich dafür die entsprechenden Arbeitsstrukturen eigenständig.
Der Elternrat bezieht die Kinder bezüglich ihrer Beteiligungsrechte (Punkt 3.1.) in seine Entscheidungen mit ein. Dies kann auf direktem Weg über eine Einladung des Kinderrates zu einer Elternratssitzung oder über ein Gespräch mit der Leiterin erfolgen, in dem diese über die Kinderwünsche befragt wird.
Einmal im Jahr lädt der Träger des Kindergartens die Vorsitzenden der Elternräte und Fördervereine seiner Kindertagesstätten zu einem Austausch ein.
Der Elternrat hat die Möglichkeit, den Kindergarten beim Stadtelternrat zu repräsentieren.
2.2 Arbeitskreise und Workshops
Alle Eltern können sich in Arbeitskreisen und Workshops beteiligen, um gemeinsam Probleme zu lösen oder Projekte zu planen. Die Workshops werden von der Leiterin moderiert, dokumentiert, und die Ergebnisse werden den Eltern und Pädagoginnen bekanntgegeben.
3. Beteiligungsrechte
3.1 Rechte der Kinder
Alle Kinder, egal wie alt sie sind, ob sie laufen können oder nicht, ob sie sprechen können oder nicht, haben das Recht sich zu beteiligen. Alle Erwachsenen helfen dabei. Sie zeigen den Kindern, was Beteiligung bedeutet und wie man sich beteiligen kann.
Kinder haben das Recht mitzubestimmen über:
– die Regeln im Haus und in der Gruppe. Nach einem halben Jahr unterhalten sich Erwachsene und
Kinder über diese Regeln, ob sie so bleiben sollen oder ob sie geändert werden müssen.
– das Aussehen der Spielzimmer und des Gartens.
– Feste und Veranstaltungen. Was wird gemacht, wie wird es gemacht und was wird gegessen.
– den Ort, an dem sie Mittagsruhe halten wollen.
– die Angebote im Kindergarten und wie man sie nutzen möchte.
– Spielzeug und Material, das vom Kindergarten gekauft wird. Wieviel Geld dafür zur Verfügung
steht, wissen die Erwachsenen.
– die Art und Weise, wie sie gepflegt werden. Wer soll sie wickeln, wie und wann soll gewickelt oder auf das Töpfchen gegangen werden.
Mitzubestimmen bedeutet, dass Kinder mit den Erwachsenen gemeinsam Entscheidungen treffen. Ist eine Entscheidung getroffen worden, helfen die Kinder bei der Umsetzung.
Kinder haben das Recht selbst zu bestimmen über:
– das, was und wieviel gegessen und getrunken wird.
– die Art der Mittagsruhe, ob sie schlafen, ruhen oder wach bleiben.
– die Bekleidung, die sie anziehen wollen.
– die Teilnahme an Angeboten.
– die Person, mit der sie über Probleme sprechen.
– das, was ihnen gehört und ihren privaten Bereich.
– die Nähe oder den Abstand zu anderen Kindern und Erwachsenen.
Selbst zu bestimmen bedeutet, dass jedes einzelne Kind für sich in den oben genannten Bereichen selbst entscheidet, was gut für es ist. Das wird Kindern zugetraut. Die Erwachsenen begleiten sie dabei.
Kinder haben das Recht sich zu beschweren.
Wenn Kinder mit dem Verhalten eines Erwachsenen nicht einverstanden sind, der im Kindergarten mit ihnen zu tun hat, können sie sich beschweren. Trauen sich die Kinder nicht, es dem Erwachsenen zu sagen, mit dem sie Ärger haben, können sie sich einen anderen Erwachsenen aussuchen, mit dem sie darüber sprechen. Die Erwachsenen versuchen das Problem gemeinsam mit den Kindern zu lösen. Reden die Erwachsenen allein miteinander über die Beschwerde, teilen sie die Ergebnisse den Kindern mit.
3.2 Rechte der Eltern
Eltern haben das Recht, zu den Umgangs-, Ess- sowie Haus- und Gruppenregeln und deren
Veränderungen, zu Veranstaltungen und Festen sowie zur grundsätzlichen Tagesstruktur
informiert zu werden.
Eltern haben das Recht, im Rahmen von Arbeitskreisen an Themen wie der Verpflegung im
Kindergarten, der pädagogischen Arbeit und der Konzeption sowie der Raum- und
Gartengestaltung mitzuwirken; sowie über die Mittagsruhe ihrer Kinder mitzusprechen, indem sich Eltern mit den Pädagoginnen über die Schlafgewohnheiten ihrer Kinder austauschen.
Das Recht auf Mitwirkung meint die Mitsprache an Entscheidungen. Es bedarf in diesem Zusammenhang nicht der Zustimmung von Eltern, wohl aber der vorherigen Information zu Ziel und Zweck von Vorhaben. Eltern erhalten die Möglichkeit, ihre Vorstellungen, Wünsche und Kritik dazu äußern zu können.
Eltern haben das Recht, ihre Beschwerden zu äußern. Wir prüfen die Beschwerde und suchen eine umsetzbare Lösung, die möglichst allen Seiten gerecht wird.
4. Verfassungsänderungen
Die vorliegende Verfassung kann nur in einer Versammlung geändert werden, die sich aus dem pädagogischen Team und einer Elterndelegation zusammensetzt. Die Versammlung wird von der Leiterin einberufen. Der Elternrat ist für die Wahl der Elterndelegation verantwortlich. Eine Änderung der Verfassung bedarf einer 5/6 Mehrheit. Dabei vertritt das pädagogische Team die Kinder mit 8 Stimmen, jedoch nur nach vorheriger Anhörung des Kinderrates. Das Team selbst hat 8 eigene Stimmen, die Eltern erhalten ebenfalls 8 Stimmen. Für eine gültige Verfassungsänderung werden demzufolge 20 Stimmen benötigt.
5. Geltungsbereich und Inkrafttreten
Die Kindergartenverfassung gilt auf dem Gelände der Kindertagesstätte PampelMuse sowie in der Kommunikation aller Beteiligten, die über andere Kommunikationsmittel und -wege stattfindet. Sie tritt am 01. Juni 2015 in Kraft.
6. Übergangsbestimmungen
Die am 1. Juni 2015 in Kraft tretende Verfassung kann frühestens nach einem Jahr geändert
werden. Der Kinderrat nimmt seine Arbeit im Herbst 2015 auf. Er wird erstmalig im September 2015 gewählt.
Unterschriften (im Original-Dokument)
Das Team verpflichtet sich, die Inhalte der Verfassung umzusetzen und eine Kultur der gegenseitigen Achtsamkeit zu entwickeln. Es ist gewünscht, sich gegenseitig anzusprechen, wenn es zur Umsetzung der Verfassung Meinungsverschiedenheiten gibt und diese in Teamberatungen einzubringen.